Trauer ist wichtig!

Plötzlich war da diese Stille. Das vertraute nächtliche Atmen verschwunden, der morgendliche Kuss blieb aus. Alles wurde grau. Sogar die Sonnenuntergänge über der Neustädter Bucht verblassten. Die Frau, der das

passierte, möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Sie möchte niemanden stören. Trauer zu teilen, ist schwer. Die Sorge, schöne Momente von Freunden kaputt zu machen, groß. "Ich will nicht immer Trauer verbreiten", sagt sie und lächelt entschuldigend. Die LN treffen sie im Trauercafé des Neustädter Hospizvereins. Seit mehr als vier Jahren gibt es das Angebot. Einmal monatlich können sich Trauernde austauschen, ihre Ängste teilen, weinen, zuhören, schweigen und lachen.    

Begleitet werden sie von ehrenamtlichen, ausgebildeten Trauerbegleiterinnen wie Margarita Hüpping und Dorothea Klaus. "Das Angebot entstand durch die Sterbebegleitung. Wir haben erlebt, wie schwer es Menschen fällt zu trauern", sagt Hüpping. Dabei bräuchten Menschen, die eine nahestehende Person verloren haben, Hilfe. "Es ist von Nöten, Gehör zu finden - auch außerhalb der Familie. Es ist heilsam sich auszutauschen", sagt Klaus. Die Frau aus Neustadt weiß um die Bedeutung. Sie fühlt sie sogar. "Ich saß alleine in meinen vier Wänden - ohne meinen Mann - und konnte nicht weinen", sagt sie. Klar, ihre Tochter und gute Freunde seien für sie da gewesen. Aber da ist ja die Sache mit dem Belasten, dem Zerstören der schönen Momente. Immer häufiger schwieg sie. Der Kummer blieb. Eine kleine Notiz in den LN änderte alles. "Meine Tochter hat von dem Trauercafé gelesen und gesagt, dass ich da mal hingehen soll", erzählt die Frau. Der Schritt war dennoch schwierig gewesen. "Ich hatte das Gefühl mich offenbaren zu müssen. Ich wusste nicht was mich erwartet und wie die anderen auf mich reagieren",

erinnert sie sich. Sie überwand sich dennoch und wurde überrascht. "Ich habe begonnen von

meinem Mann zu erzählen und dann sprudelte es plötzlich aus mir heraus. Ich habe das erste Mal richtig geheult und bin mit dem Gefühl nach Hause gegangen: ,Mein Gott, war das gut.'", erinnert sich die Neustädterin. Der Umgang mit Trauer ist typbedingt. Jeder trauert anders. "Für diejenigen, die sehr auf ihren Partner fixiert waren, ist es schwieriger vieles wieder alleine zu machen - zum Beispiel in den Urlaub zu fahren", sagt Dorothea Klaus. Doch nicht das Wie ist entscheidend, sondern das Ob. "Sich zu öffnen ist immer der richtige Weg. Dadurch bewältigt man etwas. Man darf schwach sein. Das ist legitim bei einem schweren Verlust", sagt Klaus. Wer hingegen Trauer nicht zulasse, schlage einen harten Weg ein. "Das holt einen wieder ein, manchmal vielleicht erst nach Jahren. Es kann sich auch gesundheitlich

auswirken, wenn man Trauer nicht durchlebt, sich schnell einen neuen Partner sucht und sich so eine heile Welt schafft", betont sie. Das Trauercafé könnte für einige Menschen der richtige Schritt sein, den langen Weg der Verarbeitung zurückzulegen. So wie für die Frau aus Neustadt. Seit mehr als einem Jahr kommt sie nun schon. "Ich gucke wieder in die richtige Richtung und bin sogar schon alleine verreist", erzählt sie stolz. Ist das Leben schön? Diese Frage lässt sie stocken. Sie überlegt. "Ja, eigentlich ist es schön. Ich habe nicht den Gedanken, gerne bei meinem Mann zu liegen. Ich habe doch auch noch eine Tochter und Freunde die mich brauchen", sagt sie. Außerdem ernährt sie sich nun gesünder. Warum? "Damit ich 100 Jahre alt werde." Und im vergangenen Sommer, da hat sie oft in ihrem Garten gesessen - allein - und den Untergang der Sonne über der Neustädter Bucht genossen.

(Bild und Bericht wurden uns von der LN zur Verfügung gestellt).